Interview mit Frau Dr. Loidl

Interview mit Frau Dr. Loidl am 09.02.2007 von Toni Dannbauer

DB: Liebe Fr. Dr. Loidl, Du hast vor nicht so langer Zeit einen runden Geburtstag gefeiert. Du bist in Gramastetten und darüber hinaus sehr bekannt. Die jüngere Generation kennt Deine  Lebensgeschichte, Deine Aktivitäten, und Dein Wirken im gesamten Bundesgebiet vermutlich nicht wirklich.

Wo und wann bist Du geboren. Eine heikle Frage an eine Frau.

Dr. Loidl: Kein Problem. Ich bin am 24.09.1926 in Gmunden geboren. Mein Vater war ein recht guter Angestellter in der Brauerei Gmunden. Als ich etwa 4 Jahre alt war wurde die Brauerei jedoch geschlossen. Ihm wurde angeboten in das Innviertel zu übersiedeln. Ich als Kind war begeistert, da ich schon damals kein Stadtmensch war.

Meine Mutter wäre lieber in Gmunden geblieben, aber ich war im kleinen Ort Raab im Innviertel glücklich.

Ich selber wurde immer mehr eine sehr offene Frau für das Leben am Land. Ich bin in Raab immer mit den Bauernkindern zu denen nach Hause gegangen, bei ihnen meine Freizeit verbracht und gegessen. Die Leute meinten damals ich sollte einen Bauern heiraten, aber es hat sich halt nicht ergeben.

DB: Deine Kinder – und Jugendjahre waren ja auch nicht gerade eine einfach Zeit. Wirtschaftlich sehr schwach und angespannt, und politisch mit dem Dollfuß-System in Österreich und dem ständig anwachsendem Nazionalsozialismus in Deutschland und spätestens ab 1938 auch in Österreich für viele Menschen ein Problem mit ihren Grundwertebegriffen.

Dr. Loidl: Ich selber war kaum betroffen, da ich damals noch zu jung war, kann mich aber noch gut an die Radiomeldung erinnern, dass Bundelkanzler Dollfuß erschossen wurde. Meine Eltern waren schockiert und überzeugt, dass dies Krieg bedeuten würde.

DB: Wie ist es bei Dir mit der Schule weitrergegangen ?

Dr. Loidl: Volksschule und Hauptschule in Raab im Innviertel. Obwohl ich in einer Bubenhauptschule war hatte ich keine Probleme und verhielt mich auch wie ein Bub.

Der Vater wollte ja auch lieber einen Buben und meinte, ich könne später in der Brauerei einen Arbeitsplatz bekommen. Die Lehrer meinten jedoch, ich sollte in ein Gymnasium wechseln. Ich besuchte in Wels das Gymnasium und lernte leicht, obwohl ich keine Streberin war und verstand mich mit meinen MitschülerInnen sehr gut. In der 7. Klasse wurden wir zum Kriegseinsatz nach Polen eingezogen. Das war schlimm, aber ich war bei einem Bauern im Einsatz und das Landleben hat mir immer schon gefallen. Dieser Einsatz war notwendig, um zur Matura zugelassen zu werden. Meine Anti-Einstellung zum Nazisystem wurde immer größer.

Ich maturierte, und mir wurde empfohlen, zum Studium nach Innsbruck zu gehen. Der Krieg war gerade zu Ende und ich bekam in Innsbruck ein winziges Zimmerl als Quartier. Durch die Bombadierungen herrschte große Wohnungsnot.

Ich wurde aber schnell in verschiedenen Gruppierungen der Studenten aktiv.

DB: Welches Studium hast Du begonnen. Nicht alle Gramastettner werden dies wissen. 

Dr. Loidl: Ich studierte vorerst 3 Semester Physikalisch Chemie, das war aber nicht mein Fall.Freunde, die mich kannten empfahlen mir ein Studium, welches mit Menschen zu tun hätte. Viele meinten ich sollte doch Volkskunde studieren, da hätte ich mit Menschen und Ländern zu tun. Dies würde meiner Neigung und meinem Naturell besser entsprechen. Ich tat es, und zog das Studium bis zum Doktorat schnell durch.

DB: War nicht die Zeit auf der UNI-Innsbruck auch der erste Grundstein für Deine Familie. Da hast Du doch Deinen späteren Ehemann kennen gelernt.

Dr. Loidl: Ja ich habe Hans auf der UNI kennengelernt. Hans machte aber deutlich, dass das Studium Vorrang hat und ich hätte einen Studenten sowieso nicht geheiratet. Wir haben völlig getrennt gelebt. Da ich aber damals schon hauswirtschaftlich angagiert – es war für mich auch lustig  -  war, haben meine Freundin und ich für Hans und seinen Kollegen gekocht und sie täglich zum Essen eingeladen. Hans war von einem Bauerhaus und bekam jede Woche ein Paket

mit Lebensmittel, und von meinem Vater bekam ich monatlich eine Kiste Bier und etwas Mehlspeise aus dem Innviertel. Wir mußten nicht hungern, aber das Essen mit den Lebensmittelmarken war sehr spärlich.

DB: Du hast erzählt, dass Du in Gmunden geboren worden bist und mit vier Jahren in das Innviertel übersiedelt bist. Dieses Landleben im Innviertel hat Dich geprägt.

Dein Mann stammt aus Bad Ischl. Den Menschen dieser Gegenden sagt man nach, dass sie sehr selbstbewust und auch „störrisch“ sein können. Wie hat das funktioniert?

Dr. Loid: Ja das stimmt. Aber es wurde sehr schnell besser und eine gute Partnerschaft. Mein Mann meinte wohl ich bräuchte nicht arbeiten, aber das ließ ich nicht zu. Ich wollte selbständig sein und auch mein Geld verdienen. Leicht war dies aber nicht, da ich über viele Jahre schwer krank war und sehr viel Zeit in Krankenhäuser verbringen muße. Immer wieder kam es zu gesundheitlichen Rückschlägen. Ich wurde bereits für tot gehalten. Aber es kam Gott sei Dank anders, und mein Lebenswille war so stark, dass ich zwischen den schweren Krankheitsschüben ein fröhlicher und lustiger Mensch sein konnte.

DB: Ihr habt ja dann geheiratet. Wie hat es einen Mann aus dem Salzkammergut und eine Frau aus dem Innviertel nach Gramastetten verschlagen?

Dr. Loidl: Mein Mann war schon im Innviertel und 10 Jahre Gemeindearzt in Rainbach bei Schärding. Der Ort hatte aber nur ca. 1000 Einwohner und die Leute gingen kaum zum Arzt. Wir mußten wohl nicht hungern, aber ein wirklich gutes Leben war mit dem Einkommen kaum möglich. Trotz aller Bittgänge bekam mein Mann keine Kassenverträge. Wir hatten noch immer Kontakt zu den ehemaligen Kollegen aus der Zeit in Innsbruck, und so haben wir erfahren, dass die Stelle als Gemeindearzt in Gramastetten frei wird. Es sei ein guter „Boden“ für eine Praxis, jedoch stehe keine Wohnung zur Verfügung

Ich bin schweren Herzens aus dem Innviertel weggegangen aber es ging recht schnell begauf.

DB: Außer den jungen Gramasttnern wissen die allermeisten Menschen Deinen Einsatz in allen möglichen Organisationen, besonders im kirchennahen Bereich wie zum Beispiel in der kath. Frauenbewegung oder der Mission. Wie ist es dazu gekommen? War es eine Prägung aus der elterlichen Umgebung. Oder gab es ein einschneidendes Erlebnis das dazu führte?

Dr. Loidl: Ja, durch ein Buch von Damian  De Veuster (1840 – 1899).  Er war ein belgischer Pater, der sich für die Leprakranken auf der Leprainsel Molokai im Pazifik geopfert hat. Als ich diese Buch gelesen hatte, war ich überzeugt, das dies etwas für mich sein könnte. Da aber Medizin nichts für mich ist – ich bin viel zu dünnheutig – kam es nicht in Frage.

Mein Mann und ich überlegten aber ernsthaft gemeinsam in die Mission zu gehen.

DB: So ist also aus einer promovierten Ethnologin eine Frau geworden, die sich sehr christlich, sozial angagiert hat. Der Auslöser ein Buch. Kann man das so sagen?

Dr. Loidl: Ja, das kann man so sagen. Das stimmt.

DB: Soviel ich weiß, warst Du viele Jahre oder Jahzehnte in der katholischen Frauenbewegung aktiv. Ich kenne dem Namen nach diese Organisation, aber wie viele meiner männlichen Geschlechtsgenossen nur dem Namen nach. Was ist das, und was ist die Aufgabe und das Ziel dieser Bewegung? Wie bist Du dazu grkommen?

Dr. Loidl: Ich wurde eines Tages nach Linz in das Pastoralamt eingeladen. Dort war auch der Geistliche Rat der Frauenbewegung anwesend. Der fragte mich was ich könnte. Meine Antwort war : Nichts! Ich komme frisch von der Universität, habe mein Studium abgeschlossen und möchte jetzt mit Menschen arbeiten. Er bot mir eine Stelle als Redakteurin der Zeitschrift „Welt der Frau“ an. Die Zeitschrift hieß damals anders, der Name fällt mir aber momentan nicht ein. Jedenfalls ein frommer Titel.

Aber so fromm war ich auch damals nicht, dass mir das „Frömmeln“ gefallen hätte.

Ja, die Zeitschrift hieß „Licht des Lebens“.

Bei einer Ausschreibung sandte ich ohne Namensangabe einen Artikel für die „Welt der Frau“ ein, und dieser wurde ausgezeichnet. Das war vor 60 Jahren.

DB: Du hast ja in der Fauenbewegung Karriere gemacht. Wie lange warst Du dort tätig ?

Dr. Loidl: Ich habe als Angestellte begonnen, mußte aber den Beruf wegen meiner häufigen Erkrankungen aufgeben. 1952 haben wir dann geheiratet.

Dann wurde ich Diözesansekretärin in der kath. Frauenbewegung. Der Bürojob war aber nicht wirklich eine Erfüllung für mich. Ich wollte hinaus zu den Menschen, mit denen reden, Schulungen und Vorträge halten.

Mir wurde eine Tätigkeit  - ohne Bezahlung – in der Missionsarbeit angeboten.

Trotz Ärzte und Beten konnte ich wegen meiner früheren Krankheit keine Kinder bekommen, und so setzte ich meine ganze Energie in der Missionarbeit ein.

Die Frauenbewegung ist nicht denkbar ohne Aktionen wie Familienfasttag usw. Die Frauen wollen nicht nur in die Kirche gehen und beten. Sie wollen aktiv sein und Zeichen setzen. Sie wollen etwas tun und auch das Ergebnis davon sehen.

Danach wurde ich als Diözesanleiterin der KFB gewählt. Auch dafür gabs kein Geld. Aber Hans hat gemeint, wenn wir schon keine Kinder bekommen können, kannst Du es auch kostenlos machen. Eine mir angebotene politische Karriere auf Bundesebene habe ich abgelehnt. Dafür bin ich zu wenig hart.

DB: Warst Du nicht auch Bundesvorsitzende der Katholischen Frauenbewegung.

Soviel ich weiß, ist das nicht ein Verein oder Verband Rosenkranz betender Frauen, sondern eine unter christlich sozialem Leitbild stehende Organisation welche mit Frauen Projekte organisiert. 

Dr. Loidl: Ja, wir haben immer daran gearbeitet, dass Frauen Berufe erlernen, dass sie sozial etwas tun, und sich entsprechend ihrer persönliche Fähigkeiten engagieren. Ob in der Kirch, Vereinen im Dorf oder in der Politik. Wenn Frauen etwas sagen wollen, dann muss etwas gescheites heraus kommen. Damit die Frauen auch erst genommen werden bei dem was sie zu sagen haben wurde das Motto geprägt: Schulung, Schulung, Schulung.

DB: Wie Du schon vorher gesagt hast, war die Missionsarbeit eines Deiner großen Anliegen und die Menschen in Gramastetten wissen das. Was waren da die großen Ziele Deiner Arbeit. Doch sicher nicht das Missionieren oder Christianisieren im historisch klassischen Sinne.

Dr. Loidl: Nein überhaupt nicht. Ich habe den letzten Entschluß in Rom gefasst, da waren alle Diözesanleitungen der Katholischen Frauenbewegung Österreichs vertreten, und da hat ein indischer Bischof gefragt;: Was tut ihr für die Entwicklungshilfe, was tut ihr für die Dritte Welt ? Was tut ihr für die Mission. Da sind wir alle Diözesanleiterinnen dagesessen und haben uns eingestanden. Nichts ! Wir verschicken alle bei uns ausrangierte Kleidungsstücke oder Kleidungsteile.

Er meinte, dass dies natürlich auch eine Hilfe sei, wichtiger aber wäre es, sich der Menschen in diesen Teilen der Welt anzunehmen. Ihr solltet mit diesen Menschen leben, dafür sorgen, dass sie selbständig werden, Sprachen lernen, selbständig werden können und sich selbst erhalten können, meinte er.

Und wir haben dann intensiv versucht ihnen dieses Selbstbewustsein zu vermitteln.

DB: Du hast wohl gesagt, dass Du nie eine „Frömmlerin“ warst. Aber Du hast Dich doch auch in der „Organisation Kirche“ sehr aktiv betätigt.

Dr. Loidl: Ja, natürlich. Denn das Ziel der Frauenbewegung ist auch Caritas, ist Menschen helfen, ist Lebennähe, ist Entwicklungsförderung bzw. Entwicklungshilfe. Ich habe mich in den letzten 20 Jahren ganz besonders auf Mission und Entwicklunghilfe konzentriert.

Also nicht nur Pakete schicken und Spenden sammeln, sondern den Menschen in ihrer Entwicklung zu helfen. Hilfe für Schulen und Spitäler zum Beispiel. Aber nicht einfach Geld hinschicken, sondern auch persönlich an Ort und Stelle sich überzeugen, ob die Gelder auch sinnvoll eingesetzt wurden. Mein Mann hat mir diese „Kontrollreisen“ persönlich zum größten Teil finanziert. Wer sonst ? Die Frauenbewegung hatte ja kaum Geld für sich selbst.

DB: Du bist als studierte Volkskundlerin, durch die Frauenbewegung oder Missionarbeit auch viel in ganz Österreich unterwegs gewesen und hast Vortäge gehalten.

Dr. Loidl: Ja, in allen Diözesen Österreichs. Und da hat es mir schon geholfen, dass ich Volkskunde studiert habe. Ich habe dadurch die Dialekte und auch die Witze der Menschen leichter verstanden. Der Zugang zu den Menschen war daher nicht schwierig. Und ich werde auch heute noch zB: im Zug gelegentlich von älteren Damen auf diese Zeit angesprochen.

DB: Du warst oder bist noch immer so etwas wie ein Multitalent. Du warst ja auch politisch, wenn auch nur auf komunaler Ebene tätigt.

Dr. Loidl: Ja, 24 Jahre in der Gemeinde Gramastetten. Anfänglich war ich die einzige Frau im Gemeinderat. Und gab es schnell Stimmen die meinten: Die soll doch besser daheim bleiben, die hat ja nicht einmal Kinder, die soll ruhig bleiben und den Mund halten.

Nachdem aber das Beten und „Doktern“ nichts genutzt hat, und wir keine Kinder bekommen konnten, wurden meine Projekte zu meinen Kindern. Das sind die Entwicklunghilfestationen, die Missionshäuser. Das sind meine Kinder.

DB: Du feiertest im Herbst letzten Jahres einen „reifen“ und runden Geburtstag (80 Jahre) und hast Dich zumindest offiziell aus Deinen Funktionen zurückgezogen.

Dr. Loid: Ja, das stimmt. Mir ist das auch einfach in meinem Alter zuviel geworden.

Nicht das ich kapituliert hätte, aber in meinem Alter sollte man nicht mehr immer mitreden. Denn dabeizusein und nicht mitzureden könnte ich nicht. Dazu war ich zu lange mit meinem ganzen Herzblut dabei. Deshalb habe ich mich von 34 Gremien aus 32 zurückgezogen, und die restlich 2 sind lustigerweise der Kammeradschaftsbund und der Seniorenbund.

DB: Du hast allso ein sehr erfülltes Leben gehabt  Alle die Dich kennen glauben kaum, dass Du den 80-iger hinter Dir hast.

Frau Dr. Loidl ich wünsche Dir dass es so gesund weitergeht wie in den vergangenen Jahrzehnten und wünsche Dir und Deinem Gatten alles Gute.

Vielen Dank für das Interview

Foto/Text: Anton Dannbauer